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Palliativmedizinische Versorgungsstrukturen

Wer hilft wo und wie?




Du hast nun schon etwas über die Palliativmedizin gelesen und hoffentlich ein Stückweit die Angst davor verloren. Wo findest du nun Hilfe für die erkrankte Person und auch für euch als Familie? Wer kann euch in dieser besonderen Situation begleiten? Wie sehen die Angebote zur Versorgung aus? Hier stellen wir die aktuellen Möglichkeiten einer Palliativversorgung für Menschen mit einer lebensbedrohenden Krankheit vor.


Die Palliativversorgung in Deutschlang begann in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts und wird seither stetig ausgebaut. Es gibt ambulante und stationäre Angebote. Wir beginnen mit den stationären Versorgungsmöglichkeiten:


Palliativstation

Die Palliativstation ist eine Station in einem Krankenhaus, auf der Menschen mit lebensverkürzenden Erkrankungen behandelt werden. Dabei richtet sich das Angebot vor allem an Menschen, die unter schweren Symptomen wie zum Beispiel schwer zu behandelnden Schmerzen leiden oder bei denen die Versorgung problematisch ist zum Beispiel bei schwierigen Familienverhältnissen oder Lebensumständen. Das Ziel der Behandlung ist, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Oft besteht der Irrglaube, die Palliativstation sei die „Sterbestation“. Dabei geht es hier darum, Beschwerden zu lindern und auch die weitere Versorgung zum Beispiel bei der Entlassung nach Hause zu planen. Hierbei wird meist auch besprochen, was passieren kann, wenn die Krankheit fortschreitet oder bestimmte Komplikationen wie Blutungen oder Luftnot auslöst. Was hat der Erkrankte für Wünsche oder Hoffnungen und wie kann ein „Notfallplan“ für diese schwierigen Situationen aussehen? Dafür arbeitet ein speziell ausgebildetes Team aus Ärzten, Pflegekräften, Seelsorge und Sozialdienst eng zusammen. Auch die Angehörigen stehen hier weitaus mehr im Fokus als auf den sonstigen Stationen im Krankenhaus. 350 Palliativstationen existieren in Deutschland. Etwa 15% der Krankenhäuser haben eine Palliativstation. 1, 2


Palliativdienst im Krankenhaus

In einigen Krankenhäusern arbeiten Teams aus palliativ erfahrenen Ärzten und Pflegekräften, Seelsorge und Sozialdienst. Diese können hinzugerufen werden, wenn beispielsweise Patienten mit einer Krebserkrankung oder auch anderen fortgeschrittenen Erkrankungen wie Lungen- oder Herzschwäche oder Nervenerkrankungen im Krankenhaus behandelt werden. Dabei steht auch hier die Lebensqualität der Erkrankten im Fokus. Die Teams fragen nach Beschwerden, der aktuellen Versorgung und auch nach den individuellen Wünschen der Betroffenen. Wenn der Krankenhausaufenthalt eher kurz ist oder auch aktuell keine akuten Beschwerden bestehen, kann ein Gespräch mit dem Palliativteam dennoch sinnvoll seien. Es besteht die Möglichkeit, sich kennenzulernen und etwas über mögliche Palliativversorgungen in der jeweiligen Region zu erfahren.

Nicht jedes Krankenhaus kann einen Palliativdienst anbieten. Dennoch ist es oft sinnvoll, mit dem Sozialdienst des Krankenhauses Kontakt aufzunehmen. So können Fragen zur häuslichen Versorgung oder zu Hilfsmitteln wie Toilettenstuhl, Pflegebett, Rollstuhl etc. frühzeitig geklärt werden.


Stationäres Hospiz

In Deutschland gibt es etwa 250 stationäre Hospize. 1, 2 Dort können Menschen mit einer fortgeschrittenen Erkrankung, die in „absehbarer Zeit“ zum Tod führt, einen Raum beziehen. Die Leitlinie Palliativmedizin nennt hier eine „auf Tage, Wochen oder Monate begrenzte Lebenserwartung“3. Es sind meist kleine Häuser mit wenigen Plätzen, die Wert auf eine ruhige und familiäre Atmosphäre legen. Die Räume sind wohnlich eingerichtet. In einem Hospiz wird die erkrankte Person aber auch ihre Angehörigen nach ihren individuellen Bedürfnissen begleitet. Im Vordergrund stehen auch hier die Lebensqualität und damit auch die Linderung der Krankheitssymptome. Die Mitarbeiter sind meist speziell geschult im Bereich der Palliativversorgung oder Krebsmedizin. Unterstützt werden sie durch ehrenamtliche Mitarbeiter. Die ärztliche Versorgung erfolgt durch palliativmedizinisch erfahrene (Haus)Ärzt*Innen. Der Platz in einem Hospiz wird unter bestimmten Voraussetzungen von der Krankenversicherung (oder anteilig von der Pflegeversicherung) übernommen. Viele Hospize erheben darüber hinaus keinen Eigenbeitrag, sondern finanzieren diesen aus Spenden. Bei Fragen zur Finanzierung kann die Krankenkasse oder auch das Hospiz beraten.


In einigen Städten gibt es ambulante Angebote – oft angegliedert an ein Krankenhaus oder ein stationäres Hospiz. Dies sind Tageshospize oder palliativmedizinische Tageskliniken. Hier finden schwerkranke Menschen einmal oder mehrmals pro Woche Zeit und Raum für Gemeinschaft, gemeinsame Mahlzeiten, verschiedene Aktivitäten oder auch Therapieangebote. Die Betreuung findet tagsüber (zum Beispiel von 8-16 Uhr) statt. Palliativerfahrene Ärzt*Innen werden meist je nach Bedarf hinzugezogen. Diese Kombination aus professioneller Begleitung im Tageshospiz und dem Bleiben im vertrauten häuslichen Umfeld stellt für viele erkrankte Personen eine gute Versorgungsmöglichkeit da. Zudem bedeutet es eine Entlastung für die Zugehörigen.



Die Hausärzt*Innen und weitere Fachärzt*Innen

Die erste Anlaufstelle sind meist die Hausärzt*Innen oder die behandelnden Fachärzt*Innen wie beispielsweise Onkolog*Innen. Hier besteht oft schon eine Vertrauensbasis. Diese kann Raum geben für schwierige Gespräche. Hier werden aktuelle Beschwerden besprochen – ob körperlich oder seelisch, die Wünsche und Hoffnungen der Erkrankten und ihrer Zugehörigen thematisiert und auch die Versorgung zu Hause erfragt. Bei ausgeprägten Beschwerden, schwer zu behandelnden Schmerzen oder auch bei Problemen in der häuslichen Versorgung kann gemeinsam mit den behandelnden Ärzt*Innen überlegt werden, ob eine „spezialisierte“ Palliativversorgung notwendig ist. Das kann ein spezialisierter Palliativdienst, ein Hospizdienst, eine zeitweise Einweisung auf eine Palliativstation oder ein Besuch in einer palliativmedizinischen Tagesklinik oder Ambulanz seien. Spezielle Tageskliniken und Ambulanzen gibt es allerdings bislang nur wenige in Deutschland. Wichtig ist auch hier, dass das Thema der Palliativversorgung überhaupt angesprochen wird. Solltest du die erkrankte Person regelmäßig zu Arztbesuchen begleiten, sprich vorher mit ihr darüber, ob ihr das Thema gemeinsam ansprechen möchtet.



Ambulante Hospizdienste

In den ambulanten Hospizdiensten arbeiten vor allem Ehrenamtliche. In der Regel nehmen sie vor ihren Einsätzen an speziellen Fortbildungen teil, um für diese Aufgabe vorbereitet zu sein. Meist kommen sie ein oder zweimal pro Woche und bieten Raum für Gespräche oder Gemeinsamkeiten, beraten zu den verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten und unterstützen bei organisatorischen Aufgaben. So versuchen sie auch die pflegenden Angehörigen zu entlasten. Je nach persönlicher Absprache können manchmal auch kleinere praktische Aufgaben übernommen werden. Die meisten ambulanten Hospizdienste stehen den Zugehörigen mit Rat und Tat zur Seite und dies auch nach dem Tod der erkrankten Person. In der Regel bestehen Kooperationen mit Pflegediensten und Ärzt*Innen.



SAPV

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) umfasst speziell geschulte Teams aus Pflegekräften, Palliativärzt*Innen und weiteren Berufsgruppen wie zum Bespiel Sozialarbeiter*Innen. Diese SAPV-Teams versorgen Menschen mit einer fortgeschrittenen und Lebenszeit verkürzenden Erkrankung in ihrem häuslichen Umfeld. Die spezialisierten Teams kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn ein Mensch viele oder ausgeprägte Beschwerden hat oder seine Versorgungssituation generell schwierig ist. Viele schwerkranke Menschen möchten in ihrem zu Hause bleiben. Dies machen die SAPV-Teams möglich. Ihr Fokus liegt dabei auf der Lebensqualität und der Selbstbestimmtheit der Betroffenen. Ein SAPV-Team kann auch Menschen versorgen, die in einem Pflegeheim leben. Dabei sind die Teams rund um die Uhr erreichbar. In der Regel besteht eine Kooperation mit den behandelnden Hausärzten oder Onkologen. In Deutschland besteht ein Leistungsanspruch für die SAPV für alle gesetzlich Versicherten, „wenn sie unter einer nicht heilbaren, fortgeschrittenen und fortschreitenden Erkrankung leiden, ihre Lebenszeit dadurch begrenzt wird und wenn komplexe Probleme vorliegen, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen“3. Verordnet wird die SAPV von einer Ärztin bzw. einem Arzt. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten.


Palliativmedizinische Sprechstunde

In einigen Städten gibt es palliativmedizinische Sprechstunden – zum Beispiel in Hannover an der Medizinischen Hochschule oder in Hamburg an dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Hier können sich Menschen mit einer unheilbaren Erkrankung und ihre Angehörigen vorstellen. Dabei werden aktuelle Beschwerden, Möglichkeiten der Palliativversorgung und auch weitere Unterstützungsmöglichkeiten besprochen. Das Angebot ist meist sehr umfassend und kann auch Entlastungspunktionen bei Bauch- oder Lungenwasser oder Beratungen zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten beinhalten. In der Regel findet ein enger Austausch mit den behandelnden Hausärzt*Innen, Onkolog*Innen oder Pflegediensten statt.


Suchmaschine?

Eine gute Möglichkeit, Angebote in der Nähe zu finden, bietet der Wegweiser Hospiz-Palliativmedizin. Das Angebot ist auch in anderen Sprachen verfügbar (Deutsch, Russisch, Türkisch, Polnisch, Arabisch, Vietnamesisch, Englisch, Rumänisch und Französisch) und berücksichtigt in einer extra Rubrik auch Angebote für Kinder- und Jugendliche.


Abruf 03/2021


Das Palliativportal bietet unter dem Reiter Adressen in der Menüleiste ebenfalls eine Suchfunktion für die verschiedenen Formen der Palliativversorgung an.

Abruf 03/2021


Auch auf der Website der AOK könnt ihr nach Angeboten der Palliativversorgung vor Ort suchen.

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Trau Dich und frag nach!

Jetzt kennst du die verschiedenen Möglichkeiten der Palliativversorgung in Deutschland. Nach wie vor kommen viele Menschen eher zu spät als „zu früh“ in den Kontakt mit der Palliativmedizin. Selbst wenn es aktuell noch nicht relevant sein mag, ist es gut, die verschiedenen Angebote zu kennen und dann bei Bedarf auch nutzen zu können.


Quellen:

3. Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin: - September 2020. Abruf 03/2021. https://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/pdf/LL_Palliativmedizin_Langversion_2.2.pdf


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