top of page

Keine Angst vor der Palliativmedizin



Viele Patient*innen und ihre Zugehörigen kommen erst spät im Krankheitsverlauf zu der Palliativmedizin. Oft berichten sie, sie hätten gern schon früher davon erfahren und das Angebot der ergänzenden Palliativversorgung genutzt.


Was ist Palliativmedizin?

Die moderne Medizin entwickelt sich stetig weiter. Es gibt immer mehr Behandlungsmöglichkeiten für viele Erkrankungen. Nicht immer kann eine Erkrankung geheilt werden. Dennoch kann die Lebenszeit oft verlängert und die Lebensqualität verbessert werden. In der Krebsmedizin steht neben der Krebsvorsorge und der Heilung auch die Palliativmedizin. Palliativ bedeutet „lindern“. Die Palliativmedizin kümmert sich nicht nur um Menschen mit Krebs. Sie ist nicht festgelegt auf eine Erkrankung oder ein bestimmtes Alter.


Die Palliativmedizin versorgt Menschen mit einer unheilbaren und zum Tode führenden Erkrankung und ihre Zugehörigen. Diese Versorgung ist aber nicht beschränkt auf das Lebensende. Viele glauben, Palliativmedizin stehe für Sterben und Tod. „Wenn der Arzt „palliativ“ sagt, dann ist alles vorbei“ – die Therapie, die Hoffnung und das Leben. Das stimmt nicht.


Die Palliativmedizin „bejaht das Leben“.

Für Palliativärzt*Innen steht die Lebensqualität der erkrankten Person und ihrer Zugehörigen im Fokus. Sie möchten Leid verhindern oder lindern und eine aktive Gestaltung des eigenen Lebens ermöglichen. Auch lebensverlängernde Therapien wie zum Beispiel Chemotherapie oder Bestrahlung schließen eine palliative Versorgung nicht aus. In der Palliativversorgung geht es darum, Informationen zu geben, eine Beziehung aufzubauen, mögliche Probleme frühzeitig anzusprechen, vorzubeugen, einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, Sicherheit zu geben, einen Raum für Fragen, Ängste und Sorgen zu schaffen. Nur wer sich gut informiert fühlt, kann bewusst Entscheidungen für sich treffen. Palliativteams begleiten dabei nicht nur die erkrankte Person, sondern auch ihre Zugehörigen.1


Ganzheitlichkeit - körperlich, seelisch, sozial und spirituell

Die Palliativmedizin basiert auf dem Konzept der Ganzheitlichkeit, das wir uns eigentlich von allen medizinischen Disziplinen wünschen: den einzelnen Menschen in seinem sozialen Netz, durch die Brille seiner Biographie, mit seinen Werten und Glaubensvorstellungen sehen. Dieses Konzept findet sich in den vier Dimensionen wieder, die auch die Gründerin der Hospiz- und Palliativbewegung Cicely Saunders prägte – körperlich, seelisch, sozial und spirituell. Wer nur „körperlich“ behandelt wird, erfährt nicht das volle Potential einer ganzheitlichen Versorgung.2


Länger leben durch Palliativmedizin?

2010 wurde eine Studie veröffentlich, in der Menschen mit einem metastasierten Lungenkrebs frühzeitig zusätzlich zur „Standardtherapie“ palliativ versorgt wurden. Diese Menschen hatten nicht nur eine bessere Lebensqualität, sondern auch eine höhere Lebenserwartung – obwohl sie weniger aggressive Therapien (z.B. Chemotherapien) am Lebensende in Anspruch nahmen.3 Das Ergebnis dieser Studie kann nicht einfach auf andere Erkrankungen übertragen werden. Es zeigt uns aber, wie wichtig die ganzheitliche Palliativversorgung ist und dass es hierbei nicht nur um einen „guten Tod“ geht.


Wann ist jemand „palliativ“?

Die erkrankte Person ist nicht bis zu einem Tag „heilbar“ und ab dem nächsten Tag „palliativ“. Das widerspricht dem Verständnis der Palliativmedizin. Die Leitlinie Palliativmedizin empfiehlt, dass alle Patienten mit einer Krebserkrankung Zugang zu Informationen rund um die Palliativversorgung erhalten - unabhängig davon, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Wenn die Erkrankung fortgeschritten ist oder auch wenn die Beschwerden groß sind, sollte neben der Behandlung der Erkrankung auch eine palliativmedizinische Versorgung angeboten werden.4 Auch für andere Erkrankungen wie eine fortgeschrittene Herzschwäche oder Lungenerkrankung oder bestimmte Erkrankungen der Nerven kann eine Palliativversorgung sinnvoll sein. Das Palliativteam fällt dabei nicht mit der Patientenverfügung oder dem „nicht wiederbelebt werden“ ins Haus. Es geht darum, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und den Erkrankten und seine Familie zu begleiten.


Das Palliativteam

Ein Palliativteam besteht aus mehreren Berufsgruppen – meist Ärzt*Innen, Pflegekräften und Sozialarbeiter*Innen und wird durch viele weitere Berufsgruppen ergänzt (zum Beispiel Physiotherapeut*Innen, Ernährungsberater*Innen, Ehrenamtliche, Seelsorger*Innen, Kunsttherapeut*Innen). Dieses Team arbeitet für ein gemeinsames Ziel – die Palliativversorgung lebensbedrohlich erkrankter Menschen. Dabei bringt jedes Teammitglied andere Schwerpunkte und Erfahrungen mit, sodass die Familien eine breite Unterstützung erfahren.


Die Begriffe Palliativmedizin und Palliativversorgung werden oft im gleichen Sinne verwendet. Manche verstehen unter Palliativmedizin die medizinische / ärztliche Versorgung und Palliativversorgung als Überbegriff für die Versorgung durch verschiedene Berufsgruppen wie zum Beispiel Ärzt*Innen, Pflegekräfte und Seelsorge. Hierfür wird oft auch der englische Begriff „Palliative Care“ verwendet. Lasst euch also nicht von den verschiedenen Begriffen durcheinander bringen. Für die Patienten und ihre Angehörigen meinen sie dasselbe.


Keine Angst vor der Palliativmedizin!

Sowie Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit, ist die Palliativmedizin weitaus mehr als eine Sterbebegleitung. Die Palliativversorgung hat das Ziel, den Betroffenen in seiner aktiven Lebensführung individuell zu unterstützen, seine Lebensqualität zu verbessern und auch seine Zugehörigen zu begleiten.




Weiterführende Informationen:

Video „Was ist Palliativmedizin“, Claudia von Schilling Zentrum für universitäre Krebsmedizin

Interview mit unserem Experten und Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin Prof. Schneider


Der Blaue Ratgeber zum Thema „Palliativmedizin – Antworten. Hilfen. Perspektiven.“

https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Palliativmedizin_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf


Quellen:

3 The Integration of Early Palliative Care With Oncology Care: The Time Has Come for a New Tradition, Jessica R. Bauman, MD and Jennifer S. Temel, MD; J Natl Compr Canc Netw. 2014 Dec; 12(12): 1763–1771. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5728091/ Abruf 09/2021

4 Frühzeitige Integration palliativmedizinischer Versorgung in die onkologische Therapie Gemeinsame Stellungnahme von AG Interdisziplinäre Onkologie in der Palliativmedizin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie https://www.dgho.de/publikationen/stellungnahmen/gute-aerztliche-praxis/palliativmedizinische_versorgung/Stellungnahme_DGP_DGHO.pdf, Abruf 09/2021


Comments


Hilfe in Notfällen
Wenn du oder eine dir nahestehende Person dringend Hilfe benötigt, wende dich bitte umgehend an folgende Anlaufstelle:
telefonseelsorge.de | Telefon 0800 111 0 111

© 2024 imStundenglas

#imstundenglas
#imschicksalstark

  • Weiß Instagram Icon
  • Weiß Facebook Icon
Button_189.jpg
bottom of page